1. Was ist eine vegane Ernährungspyramide? – eine Definition
Zwar sind Veganer:innen vielen Inhaltsstoffen, die in tierischen Produkten vorkommen und die im Übermaß ungesund sein können, nicht ausgesetzt. Doch liefern Fleisch, Milch und Co zahlreiche Nährstoffe, die bei einer rein pflanzlichen Ernährung schnell mal zu kurz kommen können.
Die vegane Ernährungspyramide ist daher eine Orientierungshilfe, die genaue Auskunft über die täglich zu verzehrenden (veganen) Lebensmittel gibt. So finden Veganer:innen unkompliziert das richtige Verhältnis zwischen verschiedenen Lebensmittelgruppen und verhindern dadurch körperliche Mangelzustände.
Die Pyramide ermöglicht somit ein ausgewogenes Verhältnis der sogenannten Makronährstoffe aus Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten, einen ausreichenden Konsum an Ballaststoffen sowie einen adäquaten Verzehr bestimmter Mikronährstoffe wie Calcium, Vitamin D, Folsäure und weiteren Vitaminen [1].
Dennoch sollten Menschen, die sich streng vegan ernähren wollen, ihre Ernährungsweise stets mit ihren behandelnden Ärzt:innen besprechen und im Verlauf regelmäßig nach Mangelzuständen Ausschau halten.
1.1. Wer hat die vegane Ernährungspyramide geprägt?
Die vegane Ernährungspyramide ist keine geschützte Entität und hat so gesehen keine offiziellen Urheber:innen. Im Internet finden sich zudem diverse Abwandlungen der Pyramide. Von „der einen” veganen Ernährungspyramide kann also keineswegs die Rede sein.
Jedoch stimmen die verschiedenen Versionen der Pyramide in der Regel in ihren Grundzügen überein, sodass hier nicht wirklich Widerspruch besteht.
2. Der Aufbau einer Veganen Ernährungspyramide
Die vegane Ernährungspyramide besteht aus insgesamt sechs verschiedenen Ebenen, welche sich in ihrer jeweiligen Größe unterscheiden. Die Größe soll dabei nicht suggerieren, dass eine Ebene wichtiger als eine andere wäre, sondern lediglich anzeigen, welchen Umfang die jeweilige Lebensmittelgruppe im täglichen Verzehr einnehmen sollte.
Nur weil „Flüssigkeit” (Ebene 1) also mengenmäßig mehr Raum als „Eiweißprodukte, Nüsse und Samen” (Ebene 4) einnimmt, heißt dies also keineswegs, dass Letztere für ein gesundes Leben weniger wichtig wären.
Zudem finden sich im Internet zwar viele Mengenangaben zu den einzelnen Pyramidenbausteinen. Jedoch kann der genaue Bedarf von Person zu Person deutlich variieren. Schließlich hängt der tägliche Kalorienbedarf von Faktoren wie dem Alter, Geschlecht, Gewicht und persönlichen Aktivitätsniveau ab [1].
Es empfiehlt sich daher eher, die einzelnen Pyramidenbausteine im Verhältnis zueinander zu sehen und langfristig das eigene Gewicht im Blick zu behalten [1].
2.1. Ebene 1 – Getränke
Ein Großteil des menschlichen Körpers besteht aus Wasser. Der genaue Wasseranteil – aufgeteilt in intra- und extrazelluläre Flüssigkeit – nimmt dabei im Laufe des Lebens ab, bleibt jedoch bis zuletzt hoch [2].
Um den körpereigenen Wasseranteil stabil zu halten, ist es essenziell, die Zufuhr über Getränke und Nahrung mit der Ausscheidung über Schweiß, Stuhlgang und Urin in einer Balance zu halten [2].
Bei einer erwachsenen Person liegen Flüssigkeitszufuhr und -ausscheidung dabei jeweils bei etwa 2,6 Litern. Die Zufuhr über Getränke macht davon etwa 1,4 Liter aus. Dies ist jedoch nur als Durchschnittswert zu betrachten [2].
Bei gesunden Personen führt ein vermehrter Schweißverlust durch Hitze oder Sport nämlich automatisch zu einem Durstgefühl. Ein „zu wenig trinken” ist also eher als Problem hochbetagter Menschen aufzufassen, wo dieser Durstreflex mitunter ausbleibt [2].
Auch ein „zu viel trinken” ist bei gesunden Menschen eher unwahrscheinlich. Bei intakter Niere kann die Ausscheidung über den Urin problemlos hochgefahren werden. Wieder stellen ältere Menschen sowie Personen mit entsprechenden Grunderkrankungen wie Nieren- oder Herzschwäche eine Ausnahme dar [2].
Bei gesunden Menschen mit intakter Durstregulation steht dagegen oftmals ein anderes Thema im Vordergrund: die Art der konsumierten Getränke [1].
Denn um die vegane Ernährungspyramide auch wirklich gesund zu gestalten, ist es unabdingbar, Ebene 1 im Wesentlichen mit Wasser und ungesüßten Tees zu „füllen”. Zuckerhaltige Getränke lassen die Ernährung dagegen schon in relativ geringen Dosen ungesund werden – auch wenn sie selbstverständlich vegan sind [1].
2.2. Ebene 2 – Gemüse und Obst
Gemüse und Obst sollten stets das Fundament einer gesunden Ernährung darstellen – und dies unabhängig davon, ob diese am Ende vegan oder nicht ist [1].
Als Faustregel sollten täglich mindestens zweieinhalb Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst verzehrt werden. Umso mehr Vielfalt und Abwechslung dabei besteht, desto besser [1].
Obst und Gemüse sind eine reichhaltige Quelle für Ballaststoffe, lebenswichtige Vitamine und Mineralstoffe. Außerdem „glänzen” die in Obst und Gemüse enthaltenen Kohlenhydrate mit einem vergleichsweise niedrigen glykämischen Index [1].
Das heißt, sie führen zu einem weniger starken Anstieg des Blutzuckerspiegels, als dies bei anderen kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln der Fall ist. Ein echter Gesundheitsvorteil [1].
In Summe ging der ausreichende Verzehr von Obst und Gemüse in Studien mit einem geringeren Risiko einher, vorzeitig zu versterben sowie Herz-Kreislauf- oder bestimmte Krebs-Erkrankungen zu entwickeln [1].
2.3. Ebene 3 – Vollkornprodukte
Generell unterscheiden sich Getreideprodukte nach ihrem Grad der Vermahlung bzw. Verarbeitung [1]:
Bei verarbeitetem Getreide (z. B. weißer Reis, Weißbrot, Weißmehlprodukte) werden bei der Verarbeitung Kleie und Keim entfernt, wodurch auch Ballaststoffe, Eisen, B-Vitamine und andere Nährstoffe verloren gehen. Aus diesem Grund sind sie insgesamt ungesünder als ihre unverarbeiteten „Geschwister” aus Vollkorn [1].
Zu den Vollkornprodukten gehören brauner Reis, Vollkornbrot, Vollkorngetreide und Haferflocken. Sie sind eine gute Quelle für Ballaststoffe sowie andere Nährstoffe und beinhalten Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index. Der Blutzuckerspiegel ist also weniger Schwankungen unterzogen [1].
In Studien konnte ein erhöhter Verzehr von Vollkornprodukten mit einer Reihe von gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht werden. Hierzu zählte eine verbesserte Gewichtskontrolle, eine verringerte Sterblichkeit sowie ein geringeres Auftreten von Herzkrankheiten und Krebs [1].
Unabhängig davon, ob jemand vegan oder nicht lebt, sollten Vollkornprodukte also ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Ernährung sein [1].
2.4. Ebene 4 – Eiweißprodukte, Nüsse und Samen
Proteine zählen zu den wichtigsten Nährstoffen, die bei einem Verzicht auf tierische Produkte teils nur mangelhaft aufgenommen werden. So kann es bei einer streng veganen Ernährung zu einem Proteinmangel kommen [1].
Diesem Umstand kann jedoch vorgebeugt werden, indem gezielt auf eine ausreichende Proteinzufuhr über pflanzliche Proteinquellen geachtet wird. Hierzu zählen Hülsenfrüchte, sojahaltige Produkte wie Sojamilch oder Tofu, Nüsse sowie verschiedene Getreidesorten [3, 4].
Wichtig: Da es sich bei pflanzlichen Proteinen meist um sogenannte „inkomplette Proteine” handelt (ihnen fehlen eine oder mehrere essenzielle Aminosäuren), sollten die konsumierten Proteine nie aus nur einer pflanzlichen Proteinquelle bezogen werden [3].
Die generelle Faustregel ist daher immer: „Wer vegan leben möchte, braucht eine große Vielfalt an Lebensmitteln”.
2.5. Ebene 5 – Pflanzliche Fette und Öle
Fette sollten etwa 20 bis 35 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr ausmachen. Dabei ist insbesondere die Art der Fette ausschlaggebend [1]:
Gesättigte Fette (Milchprodukte wie Käse, Milch, Eiscreme sowie rotes Fleisch) und Trans-Fette (Fast Food, Margarinen, kommerzielle Backwaren wie süße Brötchen, Kekse, Donuts) sind in Summe eher ungünstig. Ungesättigte Fette dagegen wünschenswert [1, 5].
Da Veganer:innen auf Fisch als wichtige Quelle ungesättigter Fettsäuren verzichten, sollten diese über Raps, Sojabohnen, Leinsamen, Weizenkeime, Kohlgemüse, Sonnenblumen-, Wallnuss- oder Maisöle eingeholt werden [5].
2.6. Ebene 6 – Snacks, Süßigkeiten und Alkohol
Die oberste Spitze mit Snacks, Süßigkeiten und Alkohol ist keineswegs als Empfehlung zu betrachten, sondern ist eher bei bestehenden Wunsch als optional zu verstehen. Rein medizinisch gesehen ist hier weniger mehr [1].
2.7. Substitution – Vitamin B12 und Vitamin D
Es gibt Nährstoffe, die auch bei größter Disziplin nur schwerlich mit einer rein pflanzlichen Ernährung zu erhalten sind. Dies gilt insbesondere für Vitamin B12 und Vitamin D [6].
Zusätzlich zu den Bestandteilen der Pyramide sollte daher auf eine Vitamin-B-12-Supplementierung, auf die (sparsame) Verwendung von jodiertem Speisesalz und in sonnenarmen Monaten zwischen Oktober und März auf eine Vitamin-D-Supplementierung geachtet werden [1].
3. Die Nährstoffe in der veganen Ernährungspyramide
Es gibt eine ganze Reihe an Nährstoffen und Vitaminen, die unbedingt Teil der eigenen Ernährung sein sollten – unabhängig davon, ob jemand vegan lebt oder nicht [1].
Hierzu zählt ein ausgewogenes Verhältnis der sogenannten Makronährstoffe aus Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten, ein ausreichender Konsum an Ballaststoffen sowie ein adäquater Verzehr bestimmter Mikronährstoffe wie Natrium, Calcium, Vitamin D, Folsäure und weiteren Vitaminen [1].
3.1. Makronährstoffe
Die Kohlenhydrate sollten dabei etwa 45 bis 65 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr ausmachen. Wie oben erklärt ist Kohlenhydrat dabei nicht gleich Kohlenhydrat, da diese abhängig von ihrem glykämischen Index (GI) einen unterschiedlich starken Effekt auf den Blutzuckerspiegel haben können [1].
Pflanzliche Kohlenhydratquellen mit einem durchschnittlich niedrigerem GI sind in der generell Ernährung – und daher auch in der veganen Ernährung – solchen mit einem hohen GI vorzuziehen [1].
Proteine (also Eiweiß) sollten etwa 10 bis 35 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr ausmachen. Wie oben erklärt sind Veganer:innen hier auf eine besondere Vielfalt an Lebensmitteln angewiesen, um nicht langfristig in ein Defizit zu geraten [1].
Fette sollten etwa 20 bis 35 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr ausmachen. Dabei ist insbesondere die Art der Fette ausschlaggebend [1]:
Ballaststoffe werden ebenfalls im weiteren Sinne zu den Makronährstoffen gezählt. Das heißt, auch sie sollten in großen Mengen fester Bestandteil der täglichen Ernährung sein. Bei Ihnen handelt es sich um die Bestandteile von pflanzlichen Lebensmitteln, welche nicht im Magen-Darm-Trakt verdaut werden können [1].
Zu den vielen gesundheitlichen Vorteilen, die ein hoher Ballaststoff-Verzehr mit sich bringt, zählen ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Darmkrebs, Schlaganfälle, Typ-2-Diabetes sowie eine insgesamt geringe Sterblichkeit [1].
Zu den ballaststoffreichen „Super-Foods” zählen Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte sowie Nüsse. Veganer:innen haben hier also alle Möglichkeiten [1].
3.2. Mikronährstoffe
Nährstoffe, die nur in sehr kleinen Mengen benötigt werden, bezeichnet man als Mikronährstoffe. Hierzu zählen Natrium, Calcium, Vitamin D, Folsäure sowie weitere Vitamine [1].
Im Falle von Natrium besteht das Risiko für gewöhnlich in einem „zu viel” – und nicht in einem „zu wenig”. Stark gesalzene Mahlzeiten können zu einem Überschreiten der täglich empfohlenen 2300-mg-Obergrenze führen und so nachweislich zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen [1].
Eine besondere Gefahr besteht im Konsum von jeglichen Fertigprodukten, da diese häufig mit einem hohen Salzgehalt einhergehen. Dies gilt auch für vegane Fertigprodukte [1].
Zu den wichtigsten Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen zählen [7, 8]:
Makromineralien (Bedarf von >100 mg/Tag) |
Spurenelemente (Bedarf von 1-100 mg/Tag) |
Vitamine |
---|---|---|
Calcium | Kupfer | Wasserlösliche |
Chlorid | Jod | Fettlösliche |
Magnesium | Eisen | |
Phosphor | Fluorid | |
Kalium | Mangan | |
Natrium | Zink |
Wie oben erklärt ist bei einer veganen Ernährung meist nicht mit Mangelzuständen zu rechnen, sofern die Ernährung vielseitig ist, aus reichlich Obst sowie Gemüse besteht und im Fall von Eisen, Vitamin B12, Vitamin D und Calcium bestimmte „Spielregeln” beachtet werden [1].
Die vegane Ernährungspyramide gibt hierbei stets die nötige Orientierung.
4. Die Umsetzung der veganen Ernährungspyramide im Alltag
Jede Art der Ernährungsumstellung kann mit zahlreichen Herausforderungen einhergehen. Denn selbst wenn man verinnerlicht hat, welche Lebensmittel täglich in welchem Ausmaß verzehrt werden sollten, kann es immer noch eine ganze Weile dauern, bis man für die neuen „Spielregeln” auch die dazu passenden Gerichte ausgemacht hat.
Die zwar banalste, aber dennoch ungemein nützliche Empfehlung hierzu: Warum nicht die Ernährungsumstellung schrittweise gestalten? So kann man ganz allmählich ausprobieren, wie sich die eventuell noch weniger vertrauten Lebensmittel in den Speiseplan integrieren lassen, und dann die alten (vielleicht ungesünderen) Gewohnheiten Stück für Stück auszuschleichen.
Wem dies nicht reicht, ist zumindest anzuraten, einmal mit einem/r offiziell zertifizierten Ernährungsberater:in in Kontakt zu treten. Diese/r kann dann nicht nur auf die individuellen Bedürfnisse wie Grundumsatz und gesundheitliche Voraussetzungen eingehen, sondern auch konkrete Vorschläge für passende Gerichte machen.
Auch sollten die behandelnden Ärzt:innen bei einer streng veganen Ernährung einmalig zu Beginn und dann regelmäßig im Verlauf diesbezüglich kontaktiert werden.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.
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